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Kriegen Sie die Kurve?

Der Text „Kriegen Sie die Kurve“. Auf dem Text liegt ein rotes Liniendiagramm, im Hintergrund sind Höhenlinien.

Menschen, die auf Dashboards starren

In Pandemiezeiten gehörte für viele Menschen der Blick auf die aktuellen Corona-Dashboards zum täglichen Ritual. Dadurch kam auch der Design-Normalverbraucher in Kontakt mit der selten gewürdigten Kunst der Datenvisualisierung. Der gesellschaftliche Nutzen der vielen bunten Grafiken blieb in dieser Zeit zwar fragwürdig, irgendein diffuses Informationsbedürfnis stillte der Überfluss aber trotzdem.

Wie hätten Sie’s denn gern? Als pseudowissenschaftlich getarntes Zahlenkolonnen-Ungetüm? Nett aufgedröselt in bunten Bildern für den Leseverweigerer? Oder gar als adrette Landkarte in den Farben der Saison? Die Menschheit hat schon immer Wege gefunden, das schwer Fassbare verständlich aufzubereiten und kaum eine Medium eignet sich dazu so gut, wie das Internet, mit seiner Verknüpfung von visuellen Darstellungen, zeitlicher Dimension und Interaktivität.

Ein Königreich für die Datenvisualisierer!

Neben der besonders gefragten Berufsgruppe der „Komplexitätsforscher“, haben sich auch jene als unverzichtbar für die mediale Begleitmusik der Pandemie erwiesen, die – je nach erwünschtem Einsatzzweck – den riesigen, aber nicht immer konsistenten Haufen an täglichen Zahlen ordnen, färben und hübsch frisieren: die Grafikerinnen und Illustratoren in den Redaktionsstuben und wissenschaftlichen Netzwerken dieses Planeten.

Ein sehr guter Artikel 1Johanna Schmidt: science.orf.at/stories/3203132/ zu diesem Thema (und zu den Problemen, die sich daraus ergeben) wurde von Johanna Schmidt (Visual Analytics-Gruppe des Wiener Forschungszentrums VRVis), vor über einem Jahr auf den Seiten des ORF publiziert. Die meisten der von ihr angeführten Punkte sind nach wie vor aktuell, besonders einer der Kernsätze:

Weniger erfreut sind wir als Forschungscommunity nach wie vor über den Einsatz von Farben: Farben sind ein sehr starker visueller Reiz für uns Menschen und sollten daher immer nur sehr gezielt und gut überlegt eingesetzt werden.

Johanna Schmidt

Trotz dieser Einschränkungen war die Europakarte der „Zeit“ eines der besten Mittel um einen Überblick über das „Wellenverhalten“ der Pandemie und die geographische Verteilung zu bekommen. Man musste sich halt immer wieder in Erinnerung rufen, dass „dunkelrot“ nicht gleich mit Tod und Verderben gleichzusetzen ist, sondern ganz einfach nur Abbild einer gewissen Inzidenzzahl.

Achim Schaffrinna vom Designtagebuch hat diesem Phänomen noch in der dritten Welle einen lesenswerten Aufsatz gewidmet, der mit deutscher Gründlichkeit der Farbgebung von Choropleth-Maps auf den Grund geht.

Zurückhaltendes Grafik-Design, das, frei nach Rudolf Augstein „visualisiert, was ist“ hat es naturgemäß schwer in Zeiten der allgemeinen Panikmache. Aber was macht eigentlich eine gute Visualisierung aus?

„Der erste Schritt zu einer guten Visualisierung sind gute Daten“

Das kanadische Marktforschungsinstitut Environics Research, bringt es in einem Beitrag gut auf den Punkt. Ob wir in Österreich diese Forderung immer erfüllt haben, bleibt genauso unklar wie die Frage, ob transparente, nachvollziehbare und genaue Daten überhaupt im Interesse der wesentlichen Akteure lagen. Dem etwas angegrauten und biederen Dashboard der Ages wird man jedenfalls kaum Sensationslüsternheit vorwerfen können.

Der Rolls-Royce der Datenvisualisierung kam, wie könnte es anders sein, aus England: Die Karten der University of Oxford, die im Data Explorer von Our World in Data zur Verfügung gestellt werden, mögen zwar nicht die hübschesten sein, aber in ihrer Umfänglichkeit, ihrer Interaktivität und Klarheit erfüllen sie alle Kriterien für gutes Design. Und man kann sie hervorragend einbetten …

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… um, was auch immer, zu beweisen.

Wer sich noch weiter in die wunderbare Welt des Dashboard- und Statistikdesigns vertiefen will, dem sei ein Artikel von Bloomberg ans Herz gelegt. Das dort verlinkte, von Freelancern in Zusammenarbeit mit dem RKI realisierte deutsche Impfdashboard gehört wohl zu den gelungensten Beispielen von Datenvisualisierung der letzten Zeit.

Zusammenfassend ist wie immer festzuhalten:

Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast. Und traue schon gar keiner Datenvisualisierung, die du nicht selbst erstellt hast. :)

PS: Visualisierung gibt’s in Design & Produktion und auch Web & Digital.

Fußnoten